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Ein Blick zurück: “Eine unglückliche und verderbliche Feuersbrunst” von 1811

wiederaufbauplan
Als Journalist und Gründungsmitglied des Vereins Historisches Bevensen e.V. interessiere ich mich auch sehr für Geschichte, insbesondere für lokale Ereignisse. Vor einigen Jahren stieß ich bei Recherchen für Rundgangs-Routen durch meine Heimatstadt Bad Bevensen in der Lüneburger Universitätsbibliothek auf eine alte Karte zum Wiederaufbau Bevensens nach dem Großbrand im Jahre 1811. Die weiteren Archiv-Recherchen zeigten, wie groß die Not der Menschen damals war. Viele verloren an diesem Tag ihre gesamte Existenz. Heute erinnert eine Gedenktafel an den Brand, die der Verein mit Unterstützung der Sparkasse Bevensen gestalten konnte. Der BLICKPUNKT veröffentlichte die ganze Geschichte. Unter dem BLICKPUNKT-Beitrag finden Sie den Text der Gedenktafel, den ich auf der Basis der Ortschronik Friedrich Brohmanns von 1928 zusammenstellte:

(BLICKPUNKT) Klein und fein ist sie, jene 84 mal 75 Zentimeter große Erinnerungstafel am Gebäude der Bevenser Sparkasse am alten Bäckergang, die seit dem vergangenen November dem Gedächtnis der Bevenser ein wenig auf die Sprünge zu helfen sucht – und mit Hilfe eines kurzen, pointierten Textes mitsamt einer Ortskarte an eine entscheidende Episode Bevenser Stadtgeschichte erinnert: Nämlich an jenen verheerenden Großbrand am 5. November 1811, der weite Teile Bevensens zerstörte, insgesamt 25 Wohnhäuser, die Kirche und 22 Nebengebäude, wie es in der Ortschronik Friedrich Brohmanns von 1928 nachzulesen ist. Beklemmend und bedrohlich muss die Lage gewesen sein, wie in der lebendigen Schilderung des Chronisten nachzulesen ist: „Die unglückliche und verderbliche Feuersbrunst (…) nahm ihren Anfang in einem kleinen Häuschen, dem Kaufmann Weiß gehörig (…). Das Haus war mit Stroh gedeckt und von vielen armen Leuten bewohnt. Diese hatten wahrscheinlich bei Licht an ihrem Flachs gearbeitet und unvorsichtigerweise das Feuer angezündet. (…) Ein starker Südwestwind trieb das Feuer weiter. Fast alle nahe gelegenen Häuser, die ebenfalls zum größten Teile mit Strohdächern versehen waren, wurden ein Raub der Flammen. Mit Windeseile gerieten die Wohnhäuser, meistens auch die Nebengebäude (…) in Brand”, ist bei Brohmann nachzulesen, der in der Folge betroffene Familien auflistet und die Schäden beschreibt: „Unübersehbar groß war der Schaden und das durch die Einäscherung der Kirche und der Schulgebäude über die Pfarr- und Schulgemeinde sich verbreitende Unheil. Ueber dem Schauplatze der Zerstörung weinten eine Menge ihres Obdaches und ihrer Subsistenz-Mittel beraubter Familien; denn es war die Jahreszeit, in der man alle Vorräte für den Winter eingesammelt hatte.”

Dass diese für die Stadtgeschichte so wesentliche Zäsur passend zum 200. Jahrestag des Feuers mit der Gedenktafel wieder sichtbar wurde, geht auf eine Initiative des Deutsch-Amerikaners Hans Huber zurück. Huber ist Gründungsmitglied des Vereins Historisches Bevensen e.V. und engagiert sich in dessen Arbeitskreis „Historischer Stadtrundgang”. Geschichte ist Hubers Steckenpferd – was nicht zuletzt am überbordenden Geschichtsbewusstsein seiner Heimatstadt liegt. Aufgewachsen ist Huber in Lexington (nahe Boston), seine Eltern waren von Deutschland aus in die USA emigriert und ließen sich in den Neu-England-Staaten nieder. „Mit dem historischen ,Battle of Lexington and Concord’ sowie der ,Boston Tea Party’ war es die Gegend, in der die Amerikaner für ihre Unabhängigkeit von den Briten kämpften”, berichtet Huber, „und hier hat sich auch bereits 1875 – für amerikanische Verhältnisse ausgesprochen früh – eine Kommission zum Schutz historischer Bauten gegründet”. Das geschichtliche Interesse, natürlich auch für die eigenen Wurzeln, nahm Huber mit, als er vor knapp zwei Jahrzehnten nach Studienaufenthalten in Deutschland als Übersetzer wieder zurückkam in das Land seiner Eltern.

Durch Zufall entdeckte er im vergangenen Frühjahr bei Recherchen für Rundgangs-Routen und historische Orte der Stadt in der Lüneburger Universitätsbibliothek eine alte Karte zum Wiederaufbau Bevensens. Huber spürte das Original im Bevenser Stadtarchiv auf und befasste sich mit dem Inhalt des Dokuments, das am Anfang einer neuen Bevenser Zeitrechnung steht. Umfassende Bauvorschriften – die Ziegelbedachung und Schornsteine, breite Wege, Straßen und Fußwege, auf denen „kein Mist liegen darf“, wie Brohmann schreibt, änderten in dieser Situation das Stadtbild, sorgten allerdings auch für neue Sicherheit. Bevenser Bürger, die in dieser französischen Besatzungszeit an Napoleons Bruder, König Jerome, in Kassel eine Klage sandten und ihr Eigentum gefährdet sahen, erhielten eine Absage – zur Sicherheit des Ortes.

Der Wiederaufbauplan wurde umgesetzt – und ist damit ein wichtiges zeithistorisches Dokument. Einmal gefunden, ließ Huber eine aufwändige Reproduktion erstellen – und brachte als Ratsmitglied wenig später im Kulturausschuss den Vorschlag ein, anlässlich des Jahrestages eine Tafel zu installieren. Gesagt, getan: Huber konnte die Sparkasse, die 300 Euro spendete, als Sponsor gewinnen – und genau hier steht die Tafel auch heute. Der Arbeitskreis ,,Historischer Stadtrundgang” hat bis dato rund 40 Gedenktafeln an Bevenser Häusern angebracht, gewöhnlich tragen Hauseigentümer die rund 150 Euro Herstellungskosten. Spenden sind natürlich immer willkommen, wirbt Huber und macht klar, dass die Aufgabe eine langfristige ist „Wir wünschen uns, dass die nächsten Generationen fortsetzen, was wir angefangen haben.”

Informationen zu diesem und weiteren historischen Themen aus dem Raum Bad Bevensen finden sich unter www.historisches-bevensen.de.

Hier geht es zum Verein Historisches Bevensen e.V.

Blickpunkt_Brand_Bevensen_1811

Blickpunkt_Brand_Bevensen_1811

Text der Gedenktafel:

Die große Bevenser Feuersbrunst vom 5.11.1811

Dienstagabend, der 5. November 1811 – Die unglückliche und verderbliche Feuersbrunst nimmt ihren Anfang in einem kleinen mit Stroh bedeckten und von vielen armen Leuten bewohnten Häuschen (heute ein Gartendreieck am Bäckergang 6). Während diese wahrscheinlich bei Licht an ihrem Flachs arbeiten, wird das Feuer unvorsichtigerweise entfacht. Das Flugfeuer ergreift eine andere nahe, auch mit Stroh bedeckte Hütte. Ein starker Südwestwind treibt das Feuer weiter. Fast alle nahe gelegenen Häuser, die ebenfalls zum größten Teil mit Strohdächern versehen waren, werden ein Raub der Flammen. Die mit Löschgeräten herbeigeeilten Einwohner versuchen das Feuer bei den Gebäuden des Brauers Gade niederzukämpfen. Allein der plötzlich nach Süden drehende Wind und andere mit Stroh gedeckten Häuser, in denen sehr viel Flachs und andere brennbare Materialien vorhanden sind, begünstigen die weitere Ausbreitung der Feuersbrunst. Der Wind dreht plötzlich nach Westen. Die beiden Schulhäuser (heute das Gemeindehaus) werden vom Feuer ergriffen. Kirche und Turm brennen aus und bis auf die massiven Mauern nieder. Die Flammen rasen bis zur Ilmenau hinunter. Neben der Kirche werden 25 Wohnhäuser und 22 Nebengebäude zerstört. Das Pfarrwitwenhaus (Pastorenstr. 6) und die Pfarre, letztere durch ihre Lage und einige Bäume geschützt, werden mit knapper Not gerettet. Am Tag danach weinen eine Menge ihres Obdachs und ihrer Subsistenz-Mittel beraubter Familien. Ihre Vorräte für den Winter sind vernichtet.
25. November 1811- Auf Antrag des Canton-Maire Koch arbeitet der Distrikt-Baumeister H. Mithof zu Uelzen in Verbindung mit dem Baukondukteur H. Ulrichs eine sehr eingehende Instruktion aus, nach welcher der Wiederaufbau von Bevensen vorgenommen werden sollte. Nach den Angaben Ulrichs ist zufällig der am unregelmäßigsten gebaute Teil des Fleckens abgebrannt, in dem die Gebäude trotz der vielen Strohdächer sehr dicht beisammen standen.
Der gedrängte Zusammenbau war die Folge der wirtschaftlichen Entwicklung Bevensens, bei der sich halb städtische, halb ländliche Erwerbszweige herausbildeten: Die Bearbeitung des Flachses, der Handel mit demselben, das Bierbrauen, die Destillation des Branntweins und ein geringer Handel mit den Produkten der Landwirte sind die Erwerbszweige der Einwohner. So befinden sich unter den Hausbesitzern 3 Bierbrauer, welche zugleich Branntwein brennen, 5 Kaufleute, wovon einer zugleich Branntwein brennt, 1 Branntweinbrenner, 10 Landwirte 13 Schuster und 27 andere Handwerker. Der Flecken Bevensen hat 87 Feuerstellen und 768 Einwohner.
Die neue Bauvorschrift fordert Ziegelbedachung und Schornsteine, 16 Fuß breite Zwischenräume bei den neuen Gebäuden, 48 Fuß breite Haupt- und 24 bis 30 Fuß breite Nebenstraßen, die gerade laufen, und 12 Fuß breite Fußwege, auf denen kein Mist liegen darf. Bald darauf genehmigt die französische Behörde diesen Bebauungsplan.
Die Bevenser Heinrich Wilhelm Vetter und Johann Friedrich Wilhelm Gade sind mit der Veränderung ihres Eigentums nicht einverstanden und richten ein in französischer Sprache geschriebenes Gesuch an den König Jérôme in Kassel, Napoleons Bruder. Das Gesuch der Bevenser wird abschlägig beschieden. Nach Artikel 545 des Code Napoleon ist jeder daran gebunden sein Eigentum abzutreten, wenn es des öffentlichen Wohls wegen und gegen eine angemessene Entschädigung geschieht. Die unerbittlichen Behörden Napoleons setzen das, was einmal als zweckmäßig anerkannt worden war, auch durch. Und wer weiß, fragt der Bevenser Chronist Friedrich Brohmann im Jahre 1928, wie die Straßenzüge von Bevensen im Falle der Nachgiebigkeit der Behörde sonst heute wohl ausgesehen hätten: Sie würden jetzt sicher nicht mehr den Ansprüchen gerecht werden, die durch den von Tag zu Tag steigenden Verkehr verursacht werden. Starke Verkehrsstockungen und zahlreiche Verkehrsunfälle wären sicher die Folge gewesen. „Wir sehen hier also, wie die „Franzosenzeit“ doch für die Einrichtung der breiteren, geraden und sauber zu haltenden Straßen in Bevensen und für den Wiederaufbau der Häuser nach feuer- und gesundheitspolizeilichen Vorschriften von einem Segen gewesen ist.“

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