Hans Harald Huber. Wie kommt ein Amerikaner zu einem so urdeutschen Namen?
Das ist ganz einfach, meine Eltern sind 1963 von Deutschland in die USA gegangen. Mein Vater ist Architekt und er hatte damals ein Angebot von KMW Architects bekommen. Die waren gerade dabei, das moderne Rathaus von Boston zu bauen. Deshalb wurde ich in dort geboren und bin im Herzen, aber auch sprachlich und kulturell sowohl Deutscher als auch Amerikaner. Unsere Familie pflegt aber schon seit sechs Generationen enge persönliche Beziehungen zwischen Deutschland und den USA, viele meiner Vorfahren haben den „großen Teich“ überquert – in beiden Richtungen.
Sie waren als Student schon vor dem Fall der Mauer in Ostdeutschland. Wie kam es dazu?
Ganz einfach, als Austauschstudent (mit den Universitäten Tufts und Georgetown). Durch meine Familie hatte ich schon immer eine enge Bindung an Deutschland, das ja nicht nur aus dem Westen bestand. Wer sich ernsthaft für die deutsche Sprache, Kultur, Geschichte und für die Menschen interessiert, der muss nicht nur Frankfurt, Hamburg und München gesehen haben, sondern auch Dresden, Weimar oder Ost-Berlin. Neugierig auf Land und Leute zu sein, zeichnet einen guten Übersetzer unbedingt aus. Dass ich dann länger als geplant blieb, lag einfach daran, dass ich dort meine spätere Frau kennenlernte. Sie kam aus Bulgarien und studierte in Magdeburg. Und dann fiel auch noch die Mauer.
Sie sind Übersetzer, haben aber neben deutscher und englischer Sprachwissenschaft auch Journalismus und internationale Beziehungen studiert. Wie passt das zusammen?
Sehr gut. Übersetzen ist sehr viel mehr, als das Übertragen der Textteile in eine andere Sprache. Ein guter Übersetzer muss nicht nur die Vokabeln beherrschen, er muss auch mit den kulturellen Besonderheiten sowohl der Ausgangs-, als auch der Zielsprache vertraut sein. Er muss in der Lage sein, den Sachverhalt in der Zielsprache ganz neu zu formulieren. Nur die Sprache zu „sprechen“ – die Betonung liegt hier wirklich auf dem sprechen – reicht da nicht. Eine akademische Ausbildung ist in den meisten Fällen Voraussetzung. Nur dann kann ein Übersetzer sprachliche und kulturelle Stolpersteine vermeiden und für seinen Kunden das eigentliche Ziel einer Übersetzung garantieren.
Das da wäre?
Kaum jemand übersetzt Texte nur zum Spaß. Besonders in der Wirtschaft haben Texte ein definiertes Ziel: sie sollen eine Botschaft übermitteln und beim Leser eine Aktion auslösen, bspw. den Kauf eines Produktes oder einer Dienstleistung.
Deshalb ist es immer eine gute Idee, den Übersetzer möglichst früh in ein Übersetzungsprojekt einzubinden. Er kann dann seine Kenntnisse und Erfahrungen schon in der Entstehung des Textes einfließen lassen.
Warum ist das so wichtig?
Das Internet ist voller Beispiele kurioser Übersetzungen, bspw. auf Speisekarten im Ausland. Doch während eine fehlerhafte Übersetzung für einen Touristen noch lustig sein mag, kann sie für ein Unternehmen schnell gefährlich werden. Im harmlosesten Fall erreicht die Übersetzung nicht das gewünschte Ziel, schlimmstenfalls führt eine fehlerhafte Produktbeschreibung oder Bedienungsanleitung zu Unfällen, Schadensersatz und Imageverlusten im Zielmarkt.
Sie vergleichen Sprachen oft mit Brücken. Was haben beide gemeinsam?
Ein Sprachschüler, der sein Business-English aufpolieren wollte, nannte mir einmal als Grund für diesen Wunsch: „Ohne Englisch ist die Welt so klein“. Er hat damit völlig Recht. Sprachen können Brücken zwischen Menschen, Völkern und Kulturen, aber auch Unternehmen bilden. Hapert es an der Sprache, so wird diese zur Barriere.
Wieso das?
Sprache ist viel mehr als die Aneinanderreihung von Wörtern. Sprache ist eine kulturelle Vereinbarung zwischen den Angehörigen einer Sprachgemeinschaft. Eine Sprache zu sprechen ist gleichbedeutend mit dem Zugang zu dieser Sprachgemeinschaft – und zu ihren Märkten. Im Falle von Englisch ist das heute beinahe die gesamte Welt. Ohne die Sprache des anderen ist man leider im wahrsten Sinne des Wortes sprachlos, man kann nicht an dieser Gemeinschaft teilhaben.
In einer globalisierten Welt kann das im privaten Bereich ärgerlich sein, im Beruf werden Sprachkenntnisse heute fast schon selbstverständlich vorausgesetzt.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Ja, insbesondere aus der Zeit nach dem Fall der Mauer, die ich persönlich erlebt habe. Damals mussten die Menschen in der DDR auch sprachlich einen Neuanfang bewältigen. War in der DDR Russisch die erste Pflicht-Fremdsprache im Schulunterricht und im Handel zwischen den Ländern des Ostblocks, so waren diese Sprachkenntnisse über Nacht weitgehend wertlos geworden.
Wer in der ehemaligen DDR als Unternehmen Zugang zum Weltmarkt oder als Privatperson zum Arbeitsmarkt suchte, der musste sich – neben all den anderen gravierenden Veränderungen dieser Zeit – auch sprachlich neu orientieren. In dieser Zeit begann auch meine Arbeit mit einem kleinen Team als Übersetzer und Dolmetscher. In einem gewissen Sinne haben damit auch wir geholfen, Mauern zu öffnen.
Oder nehmen Sie ein Beispiel aus dem privaten Bereich, wir alle erleben solche Situationen selbst jeden Tag. Wenn ich zum Beispiel in Magdeburg japanischen Touristen begegne, dann würde ich mich gern mit ihnen über die Stadt unterhalten. Wenn die Touristen nur Japanisch, ich aber nur Englisch oder Deutsch spreche, dann kommen wir einfach nicht in einen Dialog. Ganz ähnlich geht es Studenten, die nach Deutschland kommen. Die Bergakademie Freiberg hat deshalb mit “Sprache ist Brücke” ein sehr schönes Projekt gestartet, in dem Deutsche eine Sprachpatenschaft über ausländische Studenten übernehmen. So etwas sollte es in jeder Universitätsstadt geben, auch in Magdeburg.
Damit Sprache keine Barriere, sondern eine Brücke bildet.